- Hesse: Schlichte Sprache — impressionistische Bilder
-
Der Schriftsteller Hermann Hesse arbeitete in seinem Werk immer wieder die Konfrontation zwischen Geist und Leben und die Suche nach einem harmonischen Ausgleich heraus. Aus einer pietistischen schwäbischen Familie stammend, war Hesse auch stark beeinflusst von der indischen Philosophie. Der Literaturnobelpreisträger lebte seit Mitte der 20er-Jahre als Schweizer Staatsbürger zurückgezogen im Tessin.Hermann Hesse — die BiografieAus einer pietistischen FamilieHermann Hesse wurde am 02. 07. 1877 als Sohn einer eng dem schwäbischen Pietismus verbundenen Familie geboren. Sein Vater leitete einen protestantischen Missionsverlag, die Mutter war die Tochter des Leiters des Calwer Verlagsvereins und Indologen Dr. Hermann Gundert. Die große Bibliothek des Großvaters und die Tätigkeit des Vaters brachten den jungen Hermann Hesse in ersten Kontakt zur Literatur. Durch die Mutter, die sich in Indien aufgehalten hatte (der Vater war dort als Missionar gewesen), bekam Hesse einen ersten Einblick in die indische Gedankenwelt. Schon als junger Mensch zeichnete sich Hesse durch große Sensibilität und Verletzbarkeit aus, die ihn oft in offenen Gegensatz zur Umwelt und zum Elternhaus brachte. So verschwand er im Alter von 15 Jahren aus dem Kloster Maulbronn, wo er als Stipendiat im evangelisch-theologischen Seminar aufgenommen worden war. Hesse machte danach das »Einjährige« in Cannstatt, absolvierte ein Praktikum in einer Calwer Turmuhrenfabrik und durchlief dann eine Buchhändlerlehre in Tübingen (1895—1898).Im Frühwerk der Romantik verbundenIn seinen frühen Werken ist Hesse stark der Romantik mit ihrer Naturverbundenheit zugeneigt, so mit seinem lyrisch-romantischen Stil in seinem Erstlingswerk »Peter Camenzind« von 1904. Der Erfolg dieses Werkes war sehr groß, auch finanziell war Hesse durch dieses Buch bereits sehr gut gestellt. 1904 heiratete Hesse Maria Bernoulli und lebte bis 1912 in Gaienhofen am Bodensee. In dieser Zeit begann sich Hesse verstärkt mit den Problemen menschlicher Beziehungen und der Rolle des Künstlers in der Gesellschaft zu befassen, etwa in den Romanen »Gertrud« (1910) und »Roßhalde« (1914). Zudem war Hesse für über 60 Zeitungen und Zeitschriften tätig. Er vertrat pazifistische Ansichten und fand Gleichgesinnte etwa in Theodor Heuss. Aus Deutschland trafen ihn aber auch sehr feindselige Reaktionen.Tiefe Krise1916 durchlebte Hesse eine tiefe Krise, ausgelöst durch die Erkrankung seiner Frau an Schizophrenie. Er kam in Behandlung bei Dr. J. B. Lang, einem Jung-Schüler, der Hesse einer Psychoanalyse unterzog. In seinem Werk »Demian: Geschichte einer Jugend« nimmt Hesse Strukturelemente der Psychoanalyse auf. Er musste dieses Buch wegen der feindlichen Stimmung, die ihm aus Deutschland entgegenschlug, unter dem Pseudonym Emil Sinclair erscheinen lassen. Erst ab der 16. Auflage erschien das Buch unter seinem wirklichen Namen. 1918/1919 gab es für Hesse einen tiefen Einschnitt: Er trennte sich von seiner Familie und zog ab Mai 1919 in das Tessin.Dieser Einschnitt machte sich auch in seinem Werk bemerkbar: Die Novellen »Klein und Wagner« (1919) und »Klingsors letzter Sommer« (1919) zeigen eine deutliche, dem Expressionismus verwandte stilistische Zäsur. In »Siddharta« (1922) zeigten sich Hesses Auseinandersetzung mit der südasiatischen Philosophie und der Wunsch nach einem Weg zur Überwindung der Gegenwartskrise. 1923/24 nahm Hesse die Schweizer Staatsbürgerschaft an und heiratete zum zweiten Mal. In »Der Steppenwolf« (1927) wandte er sich wieder mehr der gesellschaftlichen Aktualität zu. Die Hauptfigur des Buches, der Intellektuelle Harry Haller, durchlebt den Konflikt mit der Gesellschaft der 20er-Jahre.Narziss und Goldmund: Konfrontation von Geist und LebenMit dem 1930 erschienenen Werk »Narziss und Goldmund« begann für Hesse wiederum eine neue Schaffensphase: Er wandte sich ab von den eher bekenntnishaften Werken, seine Themen wurden historisch fassbarer und scheinbar authentischer. Das eigentliche Anliegen von »Narziss und Goldmund« liegt aber tiefer: Hesse zeigt in den Protagonisten die Konfrontation von Geist und Leben und die Suche nach harmonischem Ausgleich. 1931 heiratete Hesse zum dritten Mal. Ninon Ausländer wurde seine Frau.In der »Morgenlandfahrt« von 1932 arbeitete er zwei thematische Schwerpunkte aus: Zum einen lassen Analyse und Intellektualisierung alles Geheimnisvolle in dieser Welt verloren gehen, zum anderen ist die Kunst durch ihre magische Fähigkeit in der Lage, dieses Geheimnisvolle doch abzubilden.Dieser Gedanke wird von Hesse in seinem Alterswerk »Das Glasperlenspiel« (1943) wieder aufgenommen. Er schildert, wie sämtliche Richtungen der Geistes- und der Naturwissenschaften aufgrund der Leistungen der Kunst mittels einer Notensprache in eine interdisziplinäre Kommunikation gebracht werden. Die Hauptfigur, der Magister Ludi Joseph Knecht, der sich aus seiner Position zurückzieht, um durch persönlichen Einsatz die Gesellschaft zu verändern, hat Ähnlichkeit mit Hermann Hesse.Hesses publizistisches Werk umfasst schon allein 3 000 Buchbesprechungen, er schrieb Zehntausende von Briefen. Die weltweite Auflage seines schriftstellerischen Werkes liegt bei über 70 Mio. Exemplaren. 1946 erhielt Hermann Hesse den Nobelpreis für Literatur. Der Dichter starb am 09. 08. 1962 in Montagnola im Tessin. Seit dem Jahr 1932 wird der Hermann-Hesse-Preis verliehen.--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------| ZEITTAFEL: HERMANN HESSES LEBEN UND WERK ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1877 | Am 02. 07. 1877 kommt Hermann Hesse im schwäbischen Calw als || | Sohn einer eng dem schwäbischen Pietismus verbundenen || | Familie zur Welt. ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1892 | Flucht aus dem Kloster Maulbronn ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1895 | Beginn einer Buchhändlerlehre in Tübingen ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1899 | Buchhändler und Antiquar in Basel; »Romantische Lieder« ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| | der er bis 1912 in Gaienhofen am Bodensee lebt. ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1916 | Aufgrund der Erkrankung seiner Frau durchlebt Hesse eine || | tiefe Depression. Er begibt sich in psychoanalytische || | Behandlung beim Jung-Schüler J. B. Lang und kommt so in Kontakt || | zu Strukturelementen der Psychoanalyse. ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1918/19 | Trennung von seiner Frau. Hesse zieht in das Tessin. Unter dem || | Pseudonym Emil Sinclair erscheint »Demian: Geschichte einer || | Jugend«. ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1923/24 | Hesse heiratet zum zweiten Mal (Ruth Wenger) und wird || | Schweizer Staatsbürger. ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1931 | Hesse heiratet zum dritten Mal (Ninon Ausländer). ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1946 | Hesse erhält den Nobelpreis für Literatur. ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1955 | Hesse wird der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels || | verliehen. ||-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------|| 1962 | Am 09. 08. 1962 stirbt Hermann Hesse in Montagnola im Tessin. |--------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------Zwischen Eigen-Sinn und Anpassung. Aussenseitertum im Leben und Werk von Hermann Hesse, herausgegeben vonSiegfried Unseld: Begegnungen mit Hermann Hesse. Frankfurt am Main 1985.Hermann Hesse. Werk und Wirkungsgeschichte, herausgegeben von Siegfried Unseld. Neuausgabe Frankfurt am Main 1986.Christian Immo Schneider: Hermann Hesse. München 1991.Walter Jens und Hans Küng: Anwälte der Humanität. Thomas Mann, Hermann Hesse, Heinrich Böll. Lizenzausgabe München 1993.Hermann Hesse und die Psychoanalyse. Kunst als Therapie, herausgegeben von Michael Limberg. Bad Liebenzell 1997.Herbert Schnierle-Lutz: Hermann Hesse - Schauplätze seines Lebens. Neuausgabe Frankfurt am Main 1997.Bernd Zeller: Hermann Hesse. Reinbek 1997.Hugo Ball: Hermann Hesse. Sein Leben und sein Werk. Frankfurt am Main 81999.Ralph Freedman: Hermann Hesse. Autor der Krisis. Eine Biographie. Aus dem Englischen. Sonderausgabe Frankfurt am Main 1999.
Universal-Lexikon. 2012.